Europa League: TSG 1899 Hoffenheim - Medipol Basaksehir

Hurra, Europa, wir sind da! Oder auch nicht. Na, zumindest physisch waren unsere Jungs auf dem Platz anwesend, auf Zählbares warten wir allerdings bis heute. Mit 0 Punkten aus 2 Spielen belegt die TSG Platz 4 der Gruppe. Will man noch eine Chance auf das Weiterkommen wahren, ist also ein Sieg im nächsten EL-Spiel obligatorisch.

Damit wären wir bereits beim Gegner, nämlich Istanbul. Istanbul und Fußball assoziiert der normale Fußballfan direkt mit aufgeheizter, fast schon fanatischer Atmosphäre im Stadion, mit einer ohrenbetäubenden Kulisse, mit einem riesigen Fananhang, sowohl im Heimspiel als auch bei Auswärtsfahrten. Womit er auch Recht hat, zumindest dann, wenn der Istanbuler Club mit "Vornamen" Fenerbahce, Basiktas oder Galatasaray heißt. In unserem Falle ist die Sachlage jedoch eine andere, denn unser Gegner nennt sich Basaksehir Istanbul.

Basaksehir wurde erst 1990 vom damaligen Bürgermeister der Millionenmetropole noch unter dem Namen Büyüksehir Belediyespor als Betriebssportverein der Istanbuler Stadtverwaltung gegründet, ist also jünger als die meisten existierenden Fußballclubs des Profifußballs im In- und Ausland. Eine signifikante Rolle spielte der Verein lange Zeit überhaupt nicht, bis er 2007 in die Süper Lig, die höchste türkische Spielklasse, aufstieg und dort regelmäßig Mittelfeldpositionen belegte, bevor es zu einem zwischenzeitigen Abstieg 2013, allerdings auch zum direkten Wiederaufstieg 2014 kam. Seitdem etablierte sich der Club, dessen Name im Jahre 2015 zum aktuellen Basaksehir abgeändert wurde, in der Spitze des türkischen Fußballs, mit dem sportlichen Highlight der Vizemeisterschaft im Jahre 2017 und der damit verbundenen Qualifikation für die Qualifikationsrunden der CL. Während der belgische Vertreter Brügge noch relativ bequem mit 5-3 ausgeschaltet wurde, entpuppte sich der spanische FC Sevilla am Ende als eine Nummer zu groß, wobei bei diesem Duell durchaus zu betonen ist, dass Basaksehir die 1-2 Heimniederlage im Hinspiel beinahe noch mit einem Auswärtssieg in Sevilla zu ihren Gunsten gedreht hätte, allerdings stand den Türken kurz vor Abpfiff der Pfosten im Wege, wodurch das Ergebnis immer noch ein respektables, aber eben nicht zum Weiterkommen ausreichendes 2-2 war.

Wie kann ein so junger Club so zügig für sportliche Furore sorgen? Diese Frage ist relativ leicht und kurz beantwortet: Mit einer Menge Geld aus einem Sponsoring-Deal mit der türkischen Krankenhauskette Medipol und den richtigen Beziehungen. Der "Retortenclub" Basaksehir gilt als "Club der Regierung", der türkische Staatschef Erdogan höchstpersönlich zog sich ein Leibchen an und kickte im Eröffnungsspiel für das neue Stadion und die Regierungspartei AKP übt einen großen Einfluss auf den Club und seine Strukturen aus.

Das Fanaufkommen des Vereins ist, allen sportlichen Erfolgen zum Trotz, derweil ziemlich mager und rekrutiert sich überwiegend aus AKP-Sympathisanten. Im Schnitt besuchen nur grob 3.000 Fans ein Heimspiel des Vereins, die oben beschriebene "Hölle" der 3 Nachbarclubs existiert bei Basaksehir nicht. Analog dazu dürfte auch der Anhang, der den Club nach Deutschland begleitet, numerisch überschaubar sein.

Personell vertraut der Trainer, der ehemalige türkische Nationalcoach Abdullah Avci, eher erfahrenen Kräften. Der Altersdurchschnitt des Kaders liegt bei 30 Jahren und ist damit über 5 Jahre höher als der der TSG. Die prominentesten Namen im Team, welche auch Fußballfans außerhalb der türkischen Grenzen bekannt sein dürften, sind wohl der französische Nationalspieler Clichy, der ehemalige Neapolitaner Inler, der frühere Hamburger Elia, der Ex-Stuttgarter Torun, der einstige Afrikas Fußballer des Jahres Adebayor und das bereits 37-jährige "enfant terrible" Belözoglu, den Pele im Jahre 2004(!) als einen der besten 125 Fußballer aller Zeiten bezeichnete.

Mit 16 Punkten aus 8 Spielen, 5 S - 1 U - 2 N, und einer Tordifferenz von 13-11 belegt Basaksehir aktuell Platz 4 der Tabelle der Süper Lig hinter Galatasaray, Aufsteiger Göztepe und Akhisarspor. Somit gelang Basaksehir national ein guter Saisonstart. Anders sieht es indes in der EL aus. Gegen Razgrad schaffte man daheim nur ein Remis, auswärts in Braga verlor man nach einem späten Gegentor 1-2. Somit ist der Druck des Teams vergleichbar mit unserem - ein Sieg ist quasi Pflicht.

Soviel zu unserem Gegner, nun in aller Kürze zur TSG. Die wichtigsten Fakten sind bereits erwähnt und bekannt, die Lage in der Liga ist gut, die in der EL grottenschlecht. Nachdem wir vor der Länderspielpause personell auf dem Zahnfleisch krochen, kann JN mittlerweile wieder (fast) aus dem Vollen schöpfen. Angesichts des Gruselauftritts mit einer B-Elf in Razgrad wird "die volle Kapelle" gegen Basaksehir auch bitter nötig sein. Es bleibt zu hoffen, dass JN das exakt so bewertet und nicht bereits die EL als "lästiges Beiwerk" abgeschenkt hat. Das wäre, auch im Blick auf die tolle letzte Saison und das prägende Motto dieser Europapokalsaison (#dasersteMal), tragisch.

Auf ein gutes Spiel!

P.S. Herr Erdogan, da Sie in einer Reisewarnung Deutschland als problematisches Land bewerteten, dürfen Sie gerne daheim bleiben! Alle anderen türkischen Fans sind herzlich Willkommen, im Stadion und auch hier im Thread.

Quellen und vertiefte Infos zum Gegner: 1, 2, 3
This contribution was last edited by Agent_Starling on Oct 16, 2017 at 6:45 PM hours